Eben noch hat Michael Polischka in einer feudalen Villa im Berliner Nobelviertel Zehlendorf gehaust, die er von heute auf morgen gegen eine Bruchbude in Neukölln eintauschen muss. Denn der feine Doktor hat ihn und seine Mutter einfach vor die Tür gesetzt – und das nur, weil Frau Polischka ihm zu fett wurde. Während das Leben in Zehlendorf leicht und angenehm war und dem Fünfzehnjährigen alles ermöglichte, was man sich in dem Alter eben so wünscht, ist er in Neukölln einer bislang nie da gewesenen Härte ausgesetzt. Gleich am ersten Schultag bekommt Micha es mit der schonungslosen neuen Realität zu tun, denn Erroll und seine Rotjacken lassen sich nicht verarschen: Kohle oder Terror ist die Divise der aggressiven und gewalttätigen Bande. Micha kommt sich vor wie im falschen Film, in dem er zudem eine Hauptrolle zu spielen scheint. Seiner Mutter, die bereits wieder mit einem neuen Liebhaber beschäftigt ist, mag sich der Junge nicht anvertrauen. So taucht er mit seinem Klassenkameraden Crille und dessen Bruder Matze für einige Zeit in deren Wohnung unter und gleichzeitig langsam ab – immer tiefer in einen Sumpf aus Drogen und Kriminalität - erste exzessive Erfahrungen mit Alkohol und Diebstähle sind dabei der Anfang vom Ende. Dieser schonungslos erzählte Roman spiegelt den realistischen Alltag im sozialschwachen Milieu wieder und erinnert sehr an die sozialkritischen Werke der 80er Jahre wie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ oder „Rolltreppe abwärts“, die schon damals die Gemüter bewegt haben. Ebenso knallhart präsentiert Tessnow den unschönen und realistischen Absturz eines jungen Menschen durch den drastischen sozialen Abstieg in der heutigen Zeit. Ein wichtiger Jugendroman, der aufzeigt, dass unsere Gesellschaft dringend etwas gegen die Perspektivlosigkeit der Jugend und damit verbundenen Jugendkriminalität tun muss! (ker)
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